Wie lange muss man Holunderbeeren erhitzen?

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In Ihrem Online-Artikel "Warum darf man Holunderbeeren nicht nicht roh essen" schreiben Sie, dass man den Holundersaft einige Minuten bei mind. 85 Grad erhitzen muss, um das giftige Sambunigrin zu zerstören. Wieviele Minuten sind genau gemeint?
Eine Schüssel mit Holunderbeeren und ein Glas mit Holundermarmelade

Große Safthersteller in Deutschland erhitzen ihren Holundersaft nur 3 Minuten bei 85 Grad. Als Begründung: Nur unreife Beeren enthielten Sambunigrin oder es gäbe keine Literatur, die die Giftigkeit von Sambunigrin beschreiben würde. In allen Ratgebern, die ich finden konnte steht aber, dass Holundersaft mind 20 Minuten bei 85 Grad erhitzt werden muss. Was stimmt denn nun? Holundersaft ist sehr wirksam bei Erkältung. Durch 20 minütiges Erhitzen halbiert sich jedoch die Saftmenge und ich hatte schon mal eine Vergiftung nach Holundersaft, deshalb frage ich.

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Zur Giftigkeit der cyanogenen Glycoside in Holunder, zu denen auch das Sambunigrin gehört, gibt es unterschiedliche Angaben in der Literatur. Sie reichen von „ungiftig“ (in kleinen Mengen) bis „zu vermeiden“. Bei Kindern und sensiblen Personen kann der Verzehr zu Symptomen von Erbrechen und leichten Krämpfen bis hin zu starkem Durchfall oder Magenbeschwerden führen.
Die rohen reifen Beeren enthalten im Vergleich zu unreifen Beeren, Blatt oder Rinde nur noch geringe Mengen dieser cyanogenen Glycoside. In einer Untersuchung wurden nur 0,06 mg/g Trockenmasse Früchte festgestellt. Der menschliche Körper kann die Blausäureverbindungen zum Teil abbauen. Als unbedenklich für den Verzehr gelten bis zu 0,02 mg Blausäure-Äquivalente pro kg Körpergewicht. Gesunde Menschen können in der Regel also 4 Gramm Beeren pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen, ohne dass Vergiftungssymptome auftreten.

Soweit zu den theoretischen Untersuchungen. Nun gibt es aber wohl sensiblere Personengruppen – zu denen Sie vielleicht gehören – die auch schon auf geringere Dosen ansprechen. Dann ist für Sie eine weitergehende Reduzierung des Glycosidgehalts erstrebenswert.
In den meisten Quellen, die uns vorliegen, ist nur allgemein davon die Rede, dass eine Erhitzung zum Abbau der Glycoside beiträgt. Ausführlichere und vorsichtige Quellen schreiben von 10 bis 20 Minuten Kochzeit bei 80 Grad. Gehen Sie einfach mal von einer kontinuierlichen Reduktion beim Kochen aus: Jede Kochminute mehr reduziert den Glycosidgehalt zunehmend, jedes Grad über 80°C Kochtemperatur beschleunigt dabei den Prozess. Die meisten Menschen tolerieren gewisse Restmengen im Endprodukt ohne Beschwerden, so dass ein totaler Abbau nicht nötig ist.
Denn mit einer langen Kochzeit werden auf der anderen Seite auch erwünschte Komponenten zerstört: Holunderbeeren enthalten viele wertvolle Inhaltstoffe, die Blüten und Beeren werden deshalb in der traditionellen Phytotherapie gerne seit alters her eingesetzt. Sie verfügen zum Beispiel über viel Vitamin C, etwa 18 Milligramm pro hundert Gramm. Dieses Vitamin ist sehr hitzeempfindlich und übersteht keinen langen Kochprozess.

Das selber Einmachen von Obst wie auch Holunderbeeren geschieht übrigens oft mit Hilfe eines Dampfentsafters. Dabei werden die Beeren dem aufsteigendem Dampf in der Regel mindestens einer Kochtemperatur über die besprochenen 20 Minuten ausgesetzt, so dass die Schalen aufbrechen und eine möglichst hohe Saftausbeute resultiert. Gut möglich, dass auch gewerblich der Saft zuerst so gewonnen wird. Die von Ihnen angesprochenen 3 Minuten Erhitzungszeit betreffen dann am Ende noch die Gewährleistung einer sterilen Abfüllung für lange Haltbarkeit.
Beim eigenen Verarbeiten von Holunderbeeren sollte auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass unreife, noch rote Beeren nicht mitverwendet werden – bei ungleichmäßig ausgereiften Dolden oft eine mühsame Klaubearbeit. Ansonsten gilt beim Holunderverzehr wie bei allem anderen die Regel des Maßhaltens getreu dem genialen Satz des Paracelsus, nachdem die Giftigkeit immer auch eine Frage der Dosis ist.

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